Rechtsanwaltskanzlei Steinbach

Geschwindigkeitsüberschreitung: Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen kann unverhältnismäßig sein

Die Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen sowie die Beschlagnahme von Unterlagen stellen einen Eingriff in das Recht auf Achtung der Wohnung dar, wenn ein geringfügiges Delikt vorliegt und der Täter erstmalig in Erscheinung tritt.

Hierauf wies der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hin. Nach seiner Vorgabe sind der Durchsuchung andere geeignete Mittel vorzuziehen, wenn es um die Identifikation der für die Geschwindigkeitsüberschreitung verantwortlichen Person geht. Erfolgt die Durchsuchung zudem wegen einer mutmaßlich von einem Dritten (hier: Sohn) begangenen Ordnungswidrigkeit und betrifft sie private Wohnräume des Beschwerdeführers (hier: Vater), steht der Eingriff in seiner Verhältnismäßigkeit nicht im Einklang mit den rechtmäßig verfolgten Zielen (EGMR, 41604/98).

Geschwindigkeitsüberschreitung: Nicht unbedingt Fahrverbot bei Augenblicksversagen

Die Anordnung eines Regelfahrverbots (§ 4 BKatV) auf Grund einer Geschwindigkeitsüberschreitung kommt bei einem Augenblicksversagen nicht in Betracht. Hat ein Kraftfahrer ein Ortseingangsschild übersehen und musste sich ihm wegen der äußeren Umstände (zweispurig ausgebaute Straße mit Mittelleitplanken, keine Bebauung) nicht aufdrängen, dass er sich innerorts befand, ist die Annahme eines Augenblicksversagens nicht zu beanstanden. In diesem Fall kann das Fahrverbot entfallen (OLG Dresden, Ss (OWi) 249/05).

Fahrverbot: Tätlichkeiten im Straßenverkehr können zum Fahrverbot führen

Tätlichkeiten eines Autofahrers, die im Zuge mit dem Führen eines Kfz stehen, weisen in aller Regel auf eine äußerst bedenkliche Fehlentwicklung hin. Diese gebietet in aller Regel die Verhängung eines Fahrverbots nach § 44 StGB.

Dies entschied das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe im Fall eines Autofahrers, der einen Lkw-Fahrer mehrmals ins Gesicht geschlagen hatte. Grund war die Weigerung des Lkw-Fahrers, sein Fahrzeug wegzufahren (OLG Karlsruhe, 1 Ss 60/05).

Beschädigung: Wer parkt sollte sich die Umgebung vorher ansehen

Ein "Fehlschuss" auf dem Sportplatz muss nicht in jedem Fall eine Ersatzpflicht des Fußballspielers auslösen.

Hierauf wies das Landgericht (LG) Mainz in der Schadenersatzklage eines Pkw-Eigentümers hin. Dieser hatte sein Fahrzeug auf einem Parkplatz in der Nähe eines Sportplatzes abgestellt. Auf dem Sportplatz, der mit einem Ballfangzaun vom Parkplatz abgegrenzt ist, hatte ein noch Minderjähriger Torschüsse geübt. Einer der Schüsse ging über das Tor und den Ballfangzaun hinweg und soll einen Schaden am Kotflügel des Pkw verursacht haben.

Nach Ansicht des LG kommt eine Haftung des "Fehlschützen" nicht in Betracht. Wegen der Eigenart des Fußballspiels sei es nicht zu vermeiden, dass Bälle über das Spielfeld hinausfliegen. Zwar müsse der Spieler grundsätzlich seine Spielweise so einrichten, dass an den Rechtsgütern anderer kein Schaden entstehe. Soweit aber eine Vorrichtung bestehe, die den Schutz von Fahrzeugen gegen abirrende Bälle bezwecke, dürfe der Spieler auch Torschüsse ausführen, die ihr Ziel möglicherweise verfehlen können. Dabei könne es auch passieren, dass Bälle derart abirren, dass sie den eigentlich hiergegen errichteten Ballfangzaun überfliegen. Ein solcher "Fehlschuss" halte sich im Rahmen des erlaubten Risikos, überdies sei dem Spieler ein fahrlässiges Verhalten nicht vorzuwerfen. Wer seinen Pkw an einem Sportplatz parke, müsse zudem mit einer Beschädigung durch fliegende Bälle etc. rechnen (LG Mainz, 3 S 89/05).

Geschwindigkeitsüberschreitung: Blinkende "Vorampel" verpflichtet nicht zur Geschwindigkeitsreduzierung

Ein vor einer Wechsellichtzeichenanlage ortsfest installiertes und mit deren Phasenwechsel gekoppeltes gelbes Blinklicht verpflichtet den Kraftfahrer nicht, bereits wegen der blinkenden "Vorampel" die Geschwindigkeit unter die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu reduzieren. Er darf vielmehr unter Beibehaltung derselben weiter auf die Wechsellichtzeichenanlage zufahren und muss erst bei deren Phasenwechsel auf Gelb und auch nur anhalten, wenn ihm dies bei normaler Betriebsbremsung noch möglich ist.

Diese Klarstellung traf nun der Bundesgerichtshof (BGH) in folgendem Fall: Beim Versuch, eine ampelgeregelte Kreuzung mit seinem Fahrrad zu überqueren, war der Kläger von einem Transporter erfasst und schwer verletzt worden. Der Kraftfahrer war mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von mind. 78 km/h bei Gelb in die Kreuzung eingefahren. In ca. 150 m Entfernung war eine "Vorampel" installiert, die phasenweise gelb blinkte. Nach der Behauptung des Klägers habe der Beklagte die an der Unfallstelle zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h weit überschritten. Demgegenüber haben die Beklagten vorgebracht, selbst bei Tempo 70 sei ein gefahrloses Anhalten vor der Haltelinie nicht mehr möglich gewesen. Alleinverantwortlich für den Unfall sei der Kläger, weil er bei Rot gefahren sei. LG und OLG haben die Haftung zu je 50 Prozent verteilt. Beide Instanzen sind von einem Rotlichtverstoß des Klägers ausgegangen. Die hälftige Mithaftung des Beklagten wurde damit begründet, dass die Betriebsgefahr des Transporters durch einen schuldhaften Lichtzeichen-Verstoß des Beklagten erheblich erhöht gewesen sei. Wegen der gelb blinkenden "Vorampel" könne er sich nicht darauf berufen, er habe an der "Hauptampel" nicht mehr rechtzeitig anhalten können. Das sah der BGH nicht so. Er entschied vielmehr, dass die blinkende "Vorampel" nur eine Warn- und keine Regelungsfunktion habe. Damit war der Vorwurf des OLG, der Beklagte habe gegen das Gebot verstoßen, bei Gelb vor Rot anzuhalten, nicht mehr tragfähig (BGH, VI ZR 228/03).